
|
ESI: Electrospray Ionisation |
Der Begriff Elektrospray Ionisation basiert auf Arbeiten von Dole und wurde letztlich durch Fenn 1984 etabliert.
Beim Elektrospray-Verfahren wird eine Lösung des Analyten (10-3 bis 10-5 mol/l) bei
Atmosphärendruck aus einer LC-Kapillare (ca. 0,1 mm Ø) in ein starkes elektrisches Feld versprüht.
Die an der Kapillarspitze und einer Gegenelektrode angelegte kV-Spannung ist verantwortlich für die rasche
und feine Zerstäubung der aus der Kapillare austretenden Lösung und für die effektive Ionisierung
der Analyt-Moleküle.
Ab eines Schwellenwerts der angelegten Spannung (2-6 kV) bildet sich ein stabiler Spray, der je nach
Ladungspolarität zur Bildung von positiven bzw. negativen Ionen führt. Eine schonende Ionisierung wird
erhalten, wenn eine stabile Vernebelung ohne Entladungen erzeugt wird. Diese optimale Einstellung kann für
eine breite Variation an Lösemittelzusammensetzungen und Flußraten (µl bis ml/min) erreicht werden.
Ein um die Kapillare konzentrisch angeordneter Inertgasstrom (meist N2) wird zur Unterstützung
der Vernebelung gerade bei hohen Flußraten (µl bis ml/min) eingesetzt.
Zur vollständigen Desolvatation der ladungstragenden Flüssigkeitstropfen und zur effektiven Ionenbildung
wird in einer ESI-Ionenquelle entweder eine beheizte Transferkapillare oder ein dem Spray entgegengerichteter,
beheizter Stickstoffstrom eingesetzt. Man erreicht unter diesen ESI-Bedingungen eine außergewöhnlich
hohe Ionenbildungseffizienz von ca. 0,01 bis 0,1 (vergl. EI ca. 10-4).
Die generierten Ionen werden letztlich durch eine Öffnung im Zentrum der Gegenelektrode in den Analysatorteil
des Massenspektrometers überführt.

Abb.1: ESI-Quelle
|
Modellvorstellungen zur Ionenbildung bei Electrospray Ionisation MS |
Um den gesamten Vorgang der Ionenbildung bei ESI zu beschreiben, ist eine Unterteilung der Abläufe in drei
Abschnitte sinnvoll:
- Bildung ladungstragender Tropfen
- Verkleinerung der Tropfen
- Bildung gasförmiger Ionen
Zur Vereinfachung der weiteren Besprechung von ESI soll jeweils von einer positiven kV-Spannung zur Generierung
von positiven Ionen ausgegangen werden.
Bildung ladungstragender Tropfen an der Spitze der Kapillare
Durch die an die enge Kapillarspitze angelegte kV-Spannung, resultiert ein sehr starkes elektrisches Feld von
ca. E ~ 106 V/m. In der aus der Kapillare austretenden Elektrolytlösung erfolgt eine Ladungstrennung:
Positive Ladungsträger werden auf der Flüssigkeitsoberfläche angereichert, zur Gegenelektrode
gezogen und zum Teil dort reduziert.
Negativ geladene Ionen dagegen wandern zum positiv geladenen Kapillarende und werden entladen bzw. oxidiert.
Insgesamt resultiert ein konstanter Spraystrom der Stärke I ~ 10-7 bis 10-6 A.
Aufgrund der elektrophoretischen Ladungstrennung bei ESI sind alternative Ionenbildungsmechanismen wie die
Feld-Ionisation wenig wahrscheinlich.
Die Anreicherung von positiver Ladung auf der Flüssigkeitsoberfläche ist Ursache der Bildung eines
Flüssigkeitskonus, da die Kationen zum negativen Pol gezogen werden. Dieser sogenannte Taylor Konus
(Taylor cone) resultiert aus der Balance des elektrischen Feldes und der Oberflächenspannung der Lösung.
Ab einer bestimmten Distanz zum Kapillarende erfolgt eine zunehmende Destabilisierung und es werden Tropfen mit
positiver Überschußladung in einem stabilen Spray emittiert (liquid filament).

Abb.2: Taylor cone
Verkleinerung der Tropfen
Die Größe der gebildeten Tropfen hängt von der Flußrate, der angelegten Spannung und der
Konzentration des Elektrolyten ab. Für eine Flußrate von ca. 5 µl/min und einer Konzentration von 1 mmol
ergeben sich Tropfen mit Radius r ~ 1-3 µm und einer Überschußladung von Q ~ 10-14 Q; dies entspricht einer
Zahl von N ~ 50 000 einfach geladener Ionen.
Diese Tropfen verlieren durch Verdampfen Lösemittelmoleküle und bei Erreichen des Raleigh Limits
(elektrostatische Abstoßung der Oberflächenladungen > Oberflächenspannung) werden viel kleinere
Tropfen (sog. Mikrotropfen) emittiert. Dies geschieht aufgrund von elastischen Oberflächenvibrationen der
Tropfen die zur Bildung Taylor cone-ähnlicher Strukturen führen.
Am Ende solcher Ausstülpungen werden kleine Tropfen die ca. 2% der Masse, aber 15% der Ladung des
"Muttertropfens" tragen, gebildet. Durch diesen ungleichen Zerfall der "Muttertropfen" erhöht sich pro
Durchlauf von Tropfenbildung und Verdampfung bis zum Raleigh Limit das Verhältnis von Oberflächenladung
zur Zahl gepaarter Ionen im Tropfen dramatisch. Das heißt, daß nur die hochgeladenen Mikrotropfen für die
letztlich erfolgende Ionenbildung verantwortlich sind und die verbleibenden großen Muttertropfen den
überwiegenden Teil der Salzfracht (gepaarte Ionen) tragen.
Bildung gasförmiger Ionen aus Mikrotropfen
Im Wesentlichen wurden zwei Modelle vorgeschlagen, um die Formierung gasförmiger Ionen aus Mikrotropfen zu
erklären:
Die ältere Theorie stammt von Dole und wird als das Modell des geladenen Rückstands
(charged residue model, CRM) bezeichnet. Man geht davon aus, daß letztlich aus extrem kleinen Tropfen mit
Radius r ~ 1nm, die nur noch ein Analytion enthalten, durch Lösemittelverdampfung gasförmige Ionen
entstehen.
Die zweite Vorstellung stammt von Iribane und Thomson und wird als Ionenemissions-Modell (ion emission
model IEM) bezeichnet. Hierbei erfolgt die Bildung gasförmiger Ionen aus hochgeladenen Mikrotropfen
mit Radius r ~ 8 nm und ca. N ~ 70 Elementarladungen. Diese Ionenemission aus den Mikrotropfen steht beim IEM in
Konkurrenz zum weiteren Raleigh-Zerfall der Tropfen.
Typische Phänomene der Elektrospray Ionisation und deren Erklärung anhand der beiden Modelle
CRM und IEM:
CRM:
In ESI-MS Spektren werden zum Teil sehr intensive Adduktionen beobachtet, die mehrere intakte protonierte bzw.
deprotonierte Analytmoleküle enthalten (z.B. [M2]7- oder
[M3]5- bei ESI-MS von Cytochrom. Im allgemeinen erscheint das Auftreten von
Adduktionen, die auf der Ausbildung von non-kovalenten Bindungen (H-Brückenbindungen, p-p-Wechselwirkungen etc.)
beruhen, eher durch das CRM erklärbar.
IEM:
Charakteristisch für ESI-MS Spektren ist das Auftreten von glockenförmigen Ladungsverteilungen
verschiedener Ladungszustände eines ionisierten Analyts. Im Zuge der Verkleinerung der Tropfenradien durch
Verdampfen von Lösemittel nimmt die Ladungsdichte auf der Tropfenoberfläche zu. Bei der Ionenemission
eines Analyts von einem Tropfen mit relativ großen Radius ist die Zahl der übertragenen Ladungen kleiner
als bei der Emission von einem Tropfen mit einem kleineren Radius. Da eine kontinuierliche Verteilung von
Tropfenradien vorliegt und diese innerhalb einer gewissen Verteilung zur Ionenemission beitragen, beobachtet man
eine Verteilung von Ladungszuständen in ESI-MS Spektren.
Wird der Sheathgasfluß erhöht, findet man eine Verschiebung der Verteilung der Ladungszustände zu
höheren Ladungszuständen hin. Durch die verstärkte Vernebelung der Tropfen und die Verkürzung
ihrer Lebensdauer wird das Maximum der Verteilung der Tropfenradien zu kleineren Werten verschoben. Damit steigt
die Ladungsdichte auf der Oberfläche der Mikrotropfen. Im Bild des IEM kann die resultierende
Intensitätssteigerung der Analytionen in höheren Ladungszuständen gut erklärt werden (s.o.).
ESI-MS Untersuchungen von Proteinen vor und nach Denaturieung bzw. vor und nach einer Spaltung von
Disulfidbrücken zeigen eine Verschiebung der Ladungsverteilung zu höheren Ladungszuständen.
Unter Berücksichtigung der äquidistanten Anordnung der Ladungen auf der Mikrotropfenoberfläche
kann auch dieser Befund mit dem IEM gut erklärt werden. Denaturierte Proteine nehmen eine räumlich
ausgedehntere Struktur an und können demnach beim Austritt aus einem Mikrotropfen mehr Oberflächenladungen
mit in die Gasphase überführen.
|
Charakteristische Merkmale von ESI-MS Spektren |
ESI-MS niedermolekularer Verbindungen
Bei Molekülen mit einer molaren Masse < 1000 u werden in der Regel einfach positiv bzw. negativ geladene
Quasimolekülionen beobachtet. Diese entstehen durch Protonierung [M+H]+ oder
Kationenanlagerung [M+Kat]+ mit Kat = Na, K bei positiver Ionendetektion.
Im Fall von negativer Polarität werden intensive Ionen des Typs [M-H]- gebildet.
Fragmentierungen werden wegen der sanften Ionsation bei ESI nur mit sehr geringen Intensitäten beobachtet.
Ionen hoher Masse
Mit der Elektrospray Ionisierung ist der massenspektrometrische Nachweis von hochmolekularen Verbindungen bis
zu einigen Kilodalton möglich. Dies beruht auf der Generierung von vielfach geladenen bzw. protonierten
Molekülionen. Da im Massenspektrometer das Masse zu Ladungsverhältnis detektiert wird, eröffnet
sich ein sehr großer Massenbereich.
Um ausreichende Empfindlichkeit zu gewährleisten, wird bei gewöhnlichen ESI-MS Messungen mit
Auflösungen gearbeitet, die keine isotopenaufgelösten Ionenpattern hochgeladener Ionen liefern können.
Es wird stattdessen die Umhüllende aller Molekülionensignale eines Ladungszustands detektiert.
Aus der Sequenz von Signalen (Umhüllenden), die in einem ESI-MS Spektrum auftreten, läßt sich aber
die Molekularmasse eindeutig bestimmen.
Unter der Annahme, daß sich benachbarte Ionen in der Bruttoformel jeweils um ein Kation (Proton oder Alkaliion)
unterscheiden und die Zahl der zusätzlichen (positiv ESI) oder fehlenden (negativ ESI) Kationen der Ladungszahl
des Ions entspricht, kann mit einem Dekonvolutionsalgorithmus die Masse des Ions genau bestimmt werden.
|
Literatur |
A.P. Bruins, Mechanistic aspects of electrospray ionization, J. Chromatogr. A. [794] (1998) 345-357.
P. Kerbarle, L.Tang, From ions in solution to ions in the gas phase, Anal. Chem. [65] (1993) 972A-986A.
S.J. Gaskell, Electrospray: Principles and Practice, J. Mass Spectrom. [32] (1997) 677-688.
J.F. Banks Jr., C.M. Whitehouse, Electrospray Ionization Mass Spectrometry in Methods in Enzymology Vol. 270, Academic Press (1996) 486-519.
|
|